Dieser Text kann Spuren von Ironie enthalten.
Ob es „DAS IBIZA“ wirklich einmal gab, ich weiß es nicht. Zumindest in den Berichten über die 70er Jahre wird oft das Bild gezeichnet, dass alle – die Reichen und Schönen, die Hippies und ganz normale junge Touristen – zusammen feiern und Spaß haben.
Heute ist das definitiv anders. Es gibt nicht den einen Ibiza-Urlauber, oder sagen wir besser neutral Besucher. Es gibt verschiedene Kreise, die die Zeit auf Ibiza in ihrer eigenen Blase verbringen. Es gibt zwar einige Berührungspunkte, aber wenn man bedenkt, dass Ibiza eine kleine Insel ist, sind die Gruppen erstaunlich abgegrenzt. Einerseits schön, dass offensichtlich die Koexistenz möglich ist. Anderseits schade für diejenigen, die in die falsche Bubble reingerutscht sind.
Ich versuche einmal die Cluster (=Gruppen, Kreise) die ich sehe zu skizzieren. Natürlich, das sind alles klischeebehaftete Bilder. Wer empfindlich ist, wird freundlich gebeten weiter zu klicken. Alle anderen dürfen weiterlesen, um sich am Ende zähneknirschend selbst einem Cluster zuzuordnen oder festzustellen, dass man sich in keiner dieser Gruppen wiederfindet.
Cluster 1: Die Pauschaltouristen
Ibiza ist ein tolles Ziel! Und deshalb bieten die großen Reiseveranstalter auf ihren Webseiten und auch in den Katalogen entsprechende Reisen an. Freundlich grüßt am Flughafen der Reiseleiter und bietet die Hilfe bei der Buchung von Ausflügen an. Weiter geht es im Transferbus über die Insel in eine der großen Hotelanlagen. Und das Buchungsportal oder das Reisebüro des Vertrauens haben sicher eine empfohlen, die alle Annehmlichkeiten bietet, die man sich wünschen kann. Eigentlich braucht man die Anlage gar nicht verlassen, an der Rezeption wird trotzdem jegliche Hilfe für die Erkundung der Insel angeboten. Jetzt muss man innerhalb dieses Clusters noch einmal differenzieren: Das Team Sportverein verlässt die Anlage jeden Tag nach der letzten Runde des All-you-can-drink-Angebots, um die nächstgelegenen Bars aufzusuchen. Andere buchen die geführten Touren, die zu den kulturellen Höhepunkten der Insel führen und wieder andere buchen lieber sportliche Aktivitäten. Freunde finden sich schnell, zum Beispiel andere Pauschalurlauber. Besonders kommunikative Vertreter haben schnell eine der folgenden Personen als besten Freund: Den Barkeeper, den Poolboy oder eine Servicekraft. In radebrechendem Englisch wird geplaudert, vermeintliche Insider-Tipps für lohnende Ausflüge eingeholt und der „beste Freund“ von der Arbeit abgehalten.
Diese Form von Urlaub ist bestens geeignet um zu entspannen, das Urlaubsziel kennenzulernen oder Spaß zu haben. Ich glaube wirklich, nach einer guten geführten Tour weiß man mehr über die Geschichte der Insel als viele andere nach Jahren. Die Magie der Insel wird allerdings nur selten überspringen. Schon von der Buchung an wird man durch Serviceinformationen, Reiseleiter und Angeboten des Hotels gelenkt. Ein Versuch auszubrechen endet oft bald wegen Orientierungsproblemen in der Sackgasse, nicht selten sogar wörtlich. Vielleicht ist auch die Hotelanlage einfach nur viel zu weit außerhalb. Willkommen in der Bubble!
Cluster 2: Oldschool Clubber
Wenn zwei Urlauber dieses Typs sich treffen, wird erst einmal der Ibiza-Count abgeglichen. „Wie oft warst du schon hier? Kommst du in 2 Monaten nochmal zu den Closings?“ Wenn das geklärt ist, werden die Tipps ausgetauscht. „Vergiss dass und das, das ist nicht mehr was es mal war, aber dort, das ist gut. In welchem Hotel bist du?“ „Ich bin da und da, ist etwas verranzt, aber der Preis stimmt echt, und es ist gut gelegen.“
In diesem Cluster sind viele Menschen, die seit vielen Jahren immer wieder nach Ibiza kommen und sich gut auskennen. Ihre Informationen tauschen sie nicht selten im persönlichen Gespräch aus oder auch über passende Facebook Gruppen. Es gibt einen gewissen Jargon, aber wer etwas drin ist, wird schnell neue, gleichgesinnte Leute kennenlernen. Die Bezeichnung Clubber lässt schon vermuten, dass Clubbing einen hohen Stellenwert hat, aber auch schöne Strände oder einige sehr schönen Plätze in der Natur werden geschätzt. Die Vertreter dieses Clusters beschwören das alte Ibiza, das des letzten Jahrzehnts. Der Diskothek „Space“ trauern sehr viele nach, ihre Schließung hat ein kollektives Trauma ausgelöst. Viele in diesem Cluster haben ein gewisses Preisbewusstsein und ein Talent vergünstigte an Eintritte zu kommen oder sogar auf die Gästeliste. Und dank Insiderinformationen finden sie auch preiswerte Hotels. Das liegt auch daran, dass sie mindestens einen Worker als Freund haben. Ein Worker, das ist ein Saisonarbeiter der einen Sommer lang zum Beispiel als Promotor arbeitet. Viele waren auch selbst einmal eine Saison lang als Worker tätig. Insgesamt sind die Menschen in diesem Cluster meist recht kommunikativ, aber sie haben ihre Orte an denen sie sich aufhalten und bleiben deswegen auch weitgehend unter sich. Das Tragische, Ibiza ändert sich, und das führt in diesem Cluster zu Wehmut.
Cluster 3: Influencer, Follower, Swagger
Cosmopolit, sie sind immer dort wo es angesagt ist. Und das ist aktuell definitiv Ibiza! Die Menschen in diesem Cluster sind im mobilen Internet zuhause und verfügen über alle denkbaren Möglichkeiten sich selbstständig zu informieren. Aber nicht zu früh gefreut, in diesem Cluster gibt es eine magisch lenkende Kraft. Wenn ich mir meine Startseite in einigen sozialen Medien anschaue, habe ich den Eindruck, Ibiza bestehe aus einem übermächtigen Open-Air-Club und maximal einem Dutzend anderer Locations. Wer nicht in diesen gewesen ist, war nicht auf Ibiza. Und eben weil diese Locations so wichtig sind, muss man dort auch ein Beweisfoto machen. Der gesamte Ibiza-Urlaub wird auf dieses Top-Event hin ausgerichtet. Auch in diesem Cluster gibt es Abstufungen. Einmal die Influencer, die bei einem kurzen Stopp zwischen Los Angeles und Dubai das Leben auf Ibiza genießen und dabei gut Geld verdienen. Wo Influencer sind, sind natürlich auch Follower. Diese genießen genau wie Influencer auch das Leben auf Ibiza, nur sie geben dafür halt Geld aus. Und dann gibt es die Swagger. Während die zumeist etwas jüngeren gemeinen Follower rechtzeitig im Internet buchen, um an günstige Tickets zu kommen sind die Swagger bereit nochmal deutlich mehr auszugeben, um in einen VIP-Bereich zu kommen oder gleich in ein angesagtes gehobenes Venue zu gehen und von dort aus Fotos zu posten. Um vom Follower zum Influencer zu werden, sind allerdings auch gute Ibiza-Storys ausgesprochen hilfreich. Es ist unglaublich, wie viele Influencer die Insel schon großgemacht hat. Dabei darf man auch nicht vergessen, dass die Konkurrenz natürlich sehr stark ist.
Alle haben gemeinsam, dass sie sich maximal in Szene setzen, sich und ihr Leben zur Schau stellen, vor Ort und, noch wichtiger, in den sozialen Medien. Dort kann es theoretisch die ganze Welt sehen, praktisch sind es allerdings nur diejenigen, die der Algorithmus in die gleiche Bubble stopft.
Cluster 4: Die wahren Ibiza-Kenner
Schrecklich dieser Trubel, oder? Die Menschen in diesem Cluster kennen die Insel noch viel länger als die Oldschool-Clubber. Und sie haben auch in ihrem Freundeskreis Bekannte, die auf der Insel leben, sogenannte Residenten. Wer in diesem Cluster ist, bucht nicht im Internet, sondern fragt Bekannte, ob sie jemanden kennen, der zum gewünschten Zeitpunkt vermietet. Oder man bucht immer schon am Ende des letzten Urlaubs in dem Hotel das man seit 20 Jahren beehrt direkt an der Rezeption für das nächste Jahr. Ruhe und Entspannung steht für Menschen in diesem Cluster an erster Stelle. Ibizas Natur ist so schön, es gibt so viele schöne Strände aber auch die großartigen kleinen Dörfer im Landesinneren. Seine Freunde trifft man in der Stammbar und ein paar echte Ibizencos im Bekanntenkreis zu haben ist auch Pflicht.
Leider gibt es keine nach dem Senioritätsprinzip vergebenen Eintrittskarten für die Insel. Das führt dazu, das jetzt auf einmal viele Menschen die keinen Bezug zu der Insel haben die Strände überfüllen, die Straßen verstopfen und dann auch noch diese schreckliche elektronische Musik all-überall gespielt wird. Die schönen kleinen Strandbars werden in moderne, überteuerte Venues umgewandelt.
Von diesen ganzen Massentouristen hält man sich fern, man bleibt unter sich. Eine lang gewachsene, stabile Bubble!
Cluster 5: What happens on Ibiza stays on Ibiza
Wer in diesem Cluster ist, legt größten Wert auf Diskretion. Es ist in dieser Hinsicht das Gegenteil der Influencer und Swagger. Lange Zeit dachte ich, dieses Cluster sein nur eine Legende, aber es gibt es wirklich. In diesem Cluster steckt jede Menge Geld, was aber nicht heißt, dass jeder in diesem Cluster auch reich ist. Die Vielfalt in diesem Cluster ist so groß wie in keinem anderen. Da sind sehr seriöse, hart arbeitende Menschen, die ab und zu mal den einengenden Konventionen ihrer Realität entkommen möchten, da sind Menschen, die ihr Geld auf eine andere Weise verdient haben und dann gibt es noch die Menschen, die auf Ibiza brisante Deals machen wollen. An dieser Stelle Grüße nach Österreich, auch wenn es mit dem „stays on Ibiza“ in diesem Fall nicht geklappt hat! Alle vorgenannten könnte man als Sponsoren des Clusters bezeichnen. Dann gibt es aber auch noch die „Freunde“ der Menschen in diesem Cluster, so nenne ich mal diejenigen, die von dem Cluster profitieren, sei es, weil sie einfach zu den Events des Clusters eingeladen werden und sich im Windschatten amüsieren oder weil sie zu den Events etwas beitragen oder mitbringen, was dort gefragt ist. Alles weitere kann sich der Leser selbst ausdenken, es ist wahrscheinlich richtig.
Die Vertreter dieses Cluster trifft man normalerweise gar nicht an, denn sie sind in Luxushotels, Villen und in Gated-Communities. Sie feiern ihre Privatpartys oder sind in den „echten“ VIP-Bereichen der Clubs. Dazu muss man wissen, dass es in den Clubs die Swagger VIP-Bereiche gibt, die von der Tanzfläche aus von jedermann bewundert werden können und dann gibt es noch die höherwertigen Bereiche, die komplett abgetrennt oder zumindest blickgeschützt sind.
Das ist jetzt alles nur kurz angerissen, dieses Cluster ist definitiv einen eigenen Post wert, den ich demnächst nachliefern werde. Kein anderes Cluster arbeitet so sorgfältig daran, die eigene Bubble gegen Störungen von außen abzuschirmen wie dieses.
Cluster 6: Understatement
Auch dieses Cluster legt Wert auf Diskretion, aber nicht, weil es was zu verstecken gibt. Menschen in diesem Cluster buchen ebenfalls ein gehobenes Hotel, eine Villa oder nennen eine solche sogar ihr Eigen. Sie liegen die eine Hälfte des Tages am Pool des Hauses oder auf dem Deck ihres Boots, die andere Hälfte putzen und pflegen sie Haus und Boot – und das obwohl das Hauspersonal das eigentlich auch tun könnte. Sie kaufen lokale kulinarische Spezialitäten ein oder gehen in ein gutes Restaurant, das nicht nur teuer ist, sondern sein Geld wert ist. Wenn sie wirklich einmal Party in der Villa machen, ist um Mitternacht Schluss und da alle Nachbarn eingeladen sind, gibt es auch keinen Ärger. Die ganzen anderen Cluster empfinden sie nur am Rande als störend, schließlich haben die Menschen in diesem Cluster die Mittel, sich zum Rest eine große Pufferzone zu schaffen. Die Menschen auf Ibiza würden sich definitiv mehr Vertreter dieses Clusters auf der Insel wünschen, ich finde es ist die langweiligste Bubble.